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Einkaufen in Zeiten der Krise

Veröffentlicht: 14. März 2020 in Kolumnen

„Nein!“ sage ich zu meiner Frau und schüttle den Kopf. „Morgen gehe ich einkaufen. Das ist wie vor Weihnachten. Nur was für die ganz Harten.“ Das machen wir nämlich immer so. Meine Frau sorgt für Glanz in der Hütte, und ich werfe mich ins Getümmel. „Und dazu muss man sich antizyklisch verhalten!“, erkläre ich mit erhobenem Zeigefinger, um mir die nötige Aufmerksamkeit zu sichern. „Ich fahre, sobald ich wach werde. Noch vor dem Frühstück.“ Meine Frau nickt. Sie schaut schon so skeptisch, ich kenne das. „Aber nicht zuerst Weinkartons einladen und beim Whiskyregal stöbern!“, ermahnt sie mich noch. „Das Gemüse ist sicher zuerst aus!“ Ich lächle überlegen und wische ihre Bedenken mit einer Handbewegung zur Seite. Ich weiß, wie man in Krisenzeiten einkauft.

Am Samstag erwache ich um 7:25 und bin um 7:40 auf dem Parkplatz des Supermarkts. Am Heiligen Abend ist um diese Zeit noch nicht viel los gewesen. Heute ist der Parkplatz fast voll. Ich parke ein und beruhige mich mit dem Gedanken, dass um zehn Uhr auf dem Parkplatz die Hölle los sein wird und keiner mehr rein oder raus kann. ES gibt sogar noch Einkaufswagen, und der dunkelhäutige Augustin-Verkäufer am Eingang grüßt und lächelt entspannt wie immer. Ich muss gestehen, ich bin ein wenig nervös, reiße eine Packung Vogerlsalat an mich und nehme mir vor, erst später das Ablaufdatum zu überprüfen. Sonst wühle ich mich nämlich immer gleich nach hinten durch, denn dort lagern die frischesten Packungen. Dazu, scheint mir, ist heute keine Zeit. Die Gemüseabteilung ist gut gefüllt, doch es gibt keine Paprika. Ich schlucke tapfer hinunter, denke insgeheim, das ist wie im Krieg, und kaufe stattdessen Weißkraut. Das hält wenigstens länger. Eigentlich mag ich keine Krautfleckerl, aber in Krisenzeiten muss man über solchen Kleinigkeiten stehen. Ich schiebe meinen Wagen also zum Nudelregal. Dort ist ein Stau entstanden, der sich sicherlich nicht dadurch auflösen wird, dass einer rechts an mir vorbeidrängt und eine aufgeregte Pensionistin mir ihren Einkaufswagen gegen den Hintern stößt. Schließlich ergattere ich ein Paket Bio-Vollkornfleckerl. Spaghetti gibt es keine mehr, aber das Regal mit den Bio-Vollkornnudeln ist prall gefüllt, wie unangetastet. Anscheinend haben meine Mitmenschen Angst vor Bioware. Ich nehme im Vorbeifahren, weil er schon daliegt, noch rasch ein wenig Käse mit – meine Frau wird mir später erklären, der werde für mindestens ein halbes Jahr reichen. Ich aber finde, der kann schneller aufgegessen sein, als man das heute noch vermutet.

Nachdem die Grundnahrungsmittel im Wagen verstaut sind, schaue ich auf dem Weg zur Frischfleischtheke rasch in der Allee für alkoholische Getränke vorbei. Jameson ist aus. Ich kann es nicht fassen. Das grüne Schild baumelt noch da: Special Edition St. Patrick’s Day – Sie sparen 4 Euro. Ich schüttle den Kopf und schiebe meinen Wagen entschlossen weiter. Was müssen die ausgerechnet in Krisenzeiten den Whisky verschleudern? Der St. Patrick’s Day ist ohnehin abgesagt. Nur, damit dann Menschen wie ich, die das irische Gold wirklich brauchen, vor leeren Regalen stehen?

Drei Schweinsschnitzel, habe ich mir vorgenommen, werde ich kaufen. Damit wir wenigstens noch ein letztes Mal, bevor wir nur mehr Linsensuppe und Bohnensalat … Ich verdränge diese traumatischen  Gedanken. Die Fleischtheke quillt über vor Schweine- Kalb- und Rindfleisch, von den Hühnern in der Kühlung hinter mir ganz zu schweigen. Ich überlege kurz, ob ich vielleicht noch ein Huhn mitnehmen soll. Wer weiß, ob … Ich ermahne mich, nicht hysterisch zu werden.

Klopapier gibt es natürlich nicht. Dort, wo es sich sonst stapelt, hat man einen Berg Küchenrollen aufgebaut. Heißt das, wir müssen uns in Zukunft mit Küchenrolle den … ich spüre ein leichtes in der Darmgegend und muss schlucken. Passiert mir immer kurz vor der Panik.

Die Schlangen an den Kassen sind lang. Der Ruf nach der Öffnung einer weiteren Kasse bleibt mir im Hals stecken, als ich gerade noch rechtzeitig merke, dass alle Kassen bemannt sind. Befraut, vielmehr. Neben mir steht einer mit vier Kisten Bier im Wagen, oben drauf eine Palette Energydrinks. Sonst nichts. In Zeiten der Krise, denke ich mir, muss man wohl Prioritäten setzen. Wieder stößt mir ein Wagen unsanft gegen den Hintern. Ich sehe einen Berg Küchenrollen und Zwieback hinter mir, erst auf den zweiten Blick erkenne ich die ältere Dame vom Nudelregal hinter ihrem Stapel wieder. Meine Frau ruft an. Ob ich die Flüssigseife eh nicht vergessen habe. Natürlich nicht. War aber schwer zu finden, und nur mehr wenig da. Ich erkläre ihr, wie stressig der Einkauf ist und kann mir einen Seitenhieb auf Menschen, die Küchenrollen horten, nicht verkneifen. Hoffentlich hat sie es gehört.

Zu Hause wasche ich mir sofort die Hände. Immerhin habe ich die Griffstange eines Einkaufswagens berührt, und wer weiß …

Nachtrag, 14:00: Ich habe den Rohschinken für die Pizza vergessen und muss noch einmal in den Supermarkt. Außerdem möchte ich einmal einen leeren Supermarkt sehen und meine Mitmenschen mit Fotos von blankgefegten Regalen unterhalten. Leider gibt es noch alles. Sogar Paprika. Eine Frau fragt nach Karotten. „Wir haben nur mehr das, was da liegt!“, seufzt eine Angestellte, die offensichtlich am Ende ihrer Leistungsfähigkeit angekommen ist.

Heute politisch …

Veröffentlicht: 26. Mai 2019 in Kolumnen

Manchmal fühle ich in mir so einen Drang, mich politisch zu äußern. Meistens lass ich’s dann eh, aber heute drängt’s mich besonders. Ich möchte nämlich dem Herrn Bundeskanzler Kurz schreiben. Solange er noch Bundeskanzler ist.

Aber es fängt ja schon bei der Anrede an. Weil, „sehr geehrter Herr Bundeskanzler“, das möchte ich nicht schreiben. Natürlich weiß ich, dass sich das gehört, und ich tu’s auch gerne, wenn ich mit mehr oder weniger Bekannten gepflegt Informationen auszutauschen gedenke. Oder wenn ich jemanden wirklich sehr ehre. Da fließt mir das „Sehr geehrte Damen und Herren“ wie selbstverständlich über die Lippen. Aber hier geht’s um Forderungen und Beschwerden, und schließlich ist ja der Bundeskanzler ohnehin nur eine Art Knecht von uns Wählerinnen und Wählern.

„Knecht Kurz“ klingt mir aber dann doch zu unhöflich, und so habe ich mich für „Junger Herr“ entschieden. Das ist höflich und zutreffend, weil er ja jung ist, und den Herrn lässt er auch gern einmal heraushängen. Passt also.

„Junger Herr“ würde ich dann also schreiben, wenn ich denn schriebe, „es warat wegen dem Nichtraucherschutz“. Natürlich weiß ich, dass es heißen müsste „es wäre wegen des Nichtraucherschutzes“, aber ich glaube, der junge Herr goutiert es, wenn einer aus dem Volk mit ihm redet, dass der dann auch ein bissl volkstümlich reden tut.

Ich würde also schreiben, dass der junge Herr ja mehrfach betont hat, dass das Rauchverbot in Lokalen nur deswegen gekippt worden ist, weil mit der FPÖ – wahrscheinlich wegen dem dauerpoflerten Haazee – sonst keine Koalition gelungen wäre. Er hat halt die Krot schlucken müssen, der junge Herr. Wie so vieles andere. Was junge Menschen oft schon erdulden müssen … aber zurück zum Thema: Jetzt könnte man ja flott im freien Spiel der Kräfte das Rauchverbot wieder beschließen. Die Ärztekammer hat eh schon beim jungen Herrn angeklopft.

Das Problem ist halt, dass mein Brieferl spätestens im Vorzimmer vom Bundeskanzler hängen bleiben würde. Da sitzt wahrscheinlich so ein Wesen aus seiner Buberl- und Mäderlpartie, das sich schon weiß Gott was darauf einbildet, dass es seinen Rollsessel mit Lederbezug auf dem knarzenden Parkett des Bundeskanzleramts herumschieben darf. Apropos Rollsessel … an meinem Arbeitsplatz im öffentlichen Dienst steht mir nur ein dünn gepolsterter Holzstuhl zur Verfügung … und weil ich halt auch schon über 60 bin, zwickt es gewaltig in den Schultern und im Nacken, wenn ich auf besagtem Holzstuhl meiner Arbeit nachzugehen gezwungen werde … aber das ist ein anderes Thema für ein anderes Brieferl an einen anderen Adressaten.

Und dieses Vorzimmerwesen in seinem gut gepolsterten sowie ergonomisch geformten Sitzmöbel würde mein Brieferl mit drei Seiten wohlerzogenem Geschwurbel beantworten, aus dem man die Nanopartikel einer Antwort erst mühsam herausfräsen müsste. Das will ich mir nicht antun.

Deswegen habe ich mir vorgenommen, dem jungen Herrn zwei Antwortmöglichkeiten zum Ankreuzen vorzugeben.

A Meine Partei, die neue ÖVP, wird im Nationalrat umgehend einen Antrag einbringen, das Nichtraucherschutzgesetz, das eigentlich schon 2018 in Kraft treten sollte, zur neuerlichen Abstimmung vorzulegen.

B Dass fast eine Million Österreicher ein Volksbegehren zum Rauchverbot in der Gastronomie unterschrieben haben, ist mir nach wie vor wurscht, was kümmert mich außerdem mein Gerede darüber, dass das damals schon beschlossene Gesetz ja nur wegen der FPÖ gekippt wurde, jetzt beschließen wir keine Gesetze mehr, vor der Wahl, wegen Staatsräson und überhaupt, und basta.

Ein bissl komisch ist da nur, dass die Mailadresse des Bundeskanzlers einfach nur bundeskanzler@bka.gv.at lautet. Und wenn dann am Montag … da könnte ja schon eine ganz andere sitzen. Oder ein ganz anderer. Aber ich glaub, wenn ich tatsächlich „Junger Herr“ schreibe, wird’s schon passen. Jetzt hab ich’s tatsächlich weggeschickt. Womöglich wird man mich jetzt wegen Unbotmäßigkeit scharf maßregeln … ich schreib euch dann wieder …